Sebastian Holtzhauer

German Scholar of Medieval Language and Literature

Kategorie: Publikationen

Die mittelniederdeutschen Brandaniana

Im von Martin Baisch, Malena Ratzke und Regina Toepfer publizierten Tagungsband „Von Widukind zur ‚Sassine‘. Prozesse der Konstruktion und Transformation regionaler Identität im norddeutschen Raum“ (Forschungen zu Kunst, Geschichte und Literatur des Mittelalters 4) findet sich auf den Seiten 185–219 ein Beitrag von Sebastian Holtzhauer zur Überlieferungs-, Text- und Kulturgeschichte des Hl. Brandan und seinen Zeugnissen im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit. Die Studie stellt insbesondere die mittelniederdeutschen Brandaniana (Navigatio und Reise) in den Fokus und beleuchtet das kulturelle und vor allem religiöse Umfeld, in welchem die Geschichten des Hl. Brandan tradiert wurden, genauer. Sie bietet eine möglichst umfassende Zusammenstellung der literarischen und nicht-literarischen Zeugnisse zu Brandan in Norddeutschland und analysiert diese in ihren jeweiligen (literar)historischen Zusammenhängen. Darunter fallen auch die bei einer Sichtung der Lübecker Liturgica und anderer Handschriften und (Inkunabel)drucke vom Autor entdeckte Brandanmesse im Missale Lubicense (1486) des Druckers Matthäus Brandis, die der Brandanforschung hier durch einen Abdruck erstmals zugänglich gemacht wird, sowie der Nachweis Brandans in einigen bisher nicht beachteten Heiligenkalendern der Lübecker Handschriftenbestände.

Der Band fragt danach, in welcher Weise regionale Identitäten im norddeutschen Kulturraum im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit hervorgebracht werden. Der spatial turn innerhalb der Geistes- und Kulturwissenschaften hat das Interesse, wie ‚Regionalität‘ konzeptualisiert und konstruiert wird, neu befeuert; damit werden auch jene Fragen nach dem Verhältnis von Identität und Alterität neu konturiert, die die Mediävistik seit den 1970er Jahren verstärkt beschäftigen. Denn unbestreitbar ist, dass neben sprachlichen, historischen, politischen und ökonomischen Kriterien auch regionale Zugehörigkeiten eine besondere Funktion für die Bildung von personaler und gruppenbezogener Identität besitzen können. Wie sich regionale Identitäten jedoch ausbilden und durch welche komplexen Verhältnisse von Selbst- wie Fremdzuschreibungen sie bestimmt sind, bedarf eingehender historisierender Untersuchungen, die der Band für die lebendige Kontakt- und Grenzregion des norddeutschen Raums vorlegt.

Beschreibung des Verlags
Cover des Tagungsbandes

Publikation: St. Brandan in europäischer Perspektive

Am 10. Oktober 2022 erscheint der Sammelband zur internationalen und interdisziplinären Tagung „Brandan in europäischer Perspektive. Wandel textueller und bildlicher Repräsentationen eines Heiligen im Kontext / Brendan in European perspective. Changing textual and pictorial representations of a saint“, die am 5. und 6. September 2019 an der Europa-Universität Flensburg stattfand.

Vita und Abenteuer des irischen Seefahrerheiligen Brendan (dt. Brandan) sind Jahrhunderte lang in Europa erzählt, um- und weitergeschrieben worden. Die Beiträge des Bandes – Ergebnis einer internationalen Brandan-Tagung in Flensburg – gehen der Transformation der Figur nach. Namhafte Forscherpersönlichkeiten untersuchen zahlreiche Phänomene und Kontexte der Brandan-Tradition: Querverbindungen zu keltischen Erzählungen; die Verortung der Brandan-Inseln in der Kartografie; motivische, mediale und kommunikationsgeschichtliche Aspekte wie die Zaumdieb-Episode, die Bildprogramme der Handschriften und Drucke, die Dialoge des Heiligen mit seinen Mönchen, die Grundlagen der Legende in der Handschriftenkultur des Mittelalters und die klösterlichen Lesepraktiken sowie den Komplex der umfangreichen Brandan-Bildzeugnisse.

ENGLISH VERSION: The life and the adventures of Brendan – seafaring saint from Ireland – have been told, rewritten and re-narrated in Western Europe for centuries. The contributions in this volume, result of an international Brendan conference in Flensburg, explore the transformation of the figure in a multiperspective way. Renowned scholars examine multiple phenomena and contexts of the Brendan tradition: cross-connections to Celtic narratives; the location of the Brendan Islands in cartography; aspects of narrative motifs, mediality, and communication history such as the bridle-thief episode, the pictorial programmes of the manuscripts and prints, the saint’s dialogues with his monks, the foundations of the legend in the manuscript culture of the Middle Ages and monastic reading practices, as well as the complex of widespread pictorial testimonies.

Buchcover (Quelle: https://www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com/detail/index/sArticle/57826)

Katalogisierte kartäusische Spiritualität. (An)Ordnungen mystischen und visionären Schrifttums in den Bibliothekskatalogen süddeutscher Kartausen

Der Beitrag „Katalogisierte kartäusische Spiritualität. (An)Ordnungen mystischen und visionären Schrifttums in den Bibliothekskatalogen süddeutscher Kartausen“ von Sebastian Holtzhauer ist nun im Sammelband „Mystik unterwegs. Theologia mystica und revelationes in Kartäusischen Händen“ (hrsg. von Marieke Abram, Susanne Bernhardt, Gilbert Fournier und Balázs J. Nemes.; Miscellanea Neerlandica 49, Studia Cartusiana 7) erschienen.

Die Beiträge des vorliegenden Bandes eint das Interesse am Thema ‚Kartäuser und Mystik‘, das exemplarisch und vor einem breiten europäischen Horizont behandelt wird. Sie alle verbindet ein dezidiert historischer Zugang zum gewählten Thema, der mit einer Fokussierung auf diejenigen kartäusischen Kontexte einhergeht, die sich als Knotenpunkte der Produktion, Rezeption und Distribution von mystischen Texten erwiesen haben. Gemeinsam ist ihnen außerdem die Frage, wie sich mystische Interessensschwerpunkte in einzelnen Kartausen bzw. bei einzelnen Kartäusern herausbilden und beschreiben lassen, wobei der zeitliche Schwerpunkt – sieht man von je einem Abstecher ins Hochmittelalter und in die Neuzeit einmal ab – auf dem Spätmittelalter liegt. Nachgezeichnet wird demnach, wie Mystik im Kartäuserorden ‚unterwegs‘ war. Doch nicht nur das: Mehrere Beiträge sind selbst unterwegs zu einer Definition von Mystik, jedenfalls reflektieren sie die (forschungs-)geschichtlichen Hintergründe des Begriffes und seinen heuristischen Nutzen für die Konstituierung eines speziellen Corpus von Texten.

InhaltsZusammenfassung des Sammelbandes (Quelle: Verlagsseite)

Neue MGN-Homepage

Die neue Homepage des Verbunds Mittelaltergermanistik Nord (MGN) ist nun online. Unter https://mgn.uol.de/ sind ab sofort alle wichtigen Informationen für die Mitglieder des Verbunds so wie für Interessierte zu finden.

Der Verbund Mittelaltergermanistik Nord bringt Vertreter*innen der germanistischen Mediävistik aus allen norddeutschen Bundesländern zusammen. Ziel ist es, Kooperationsmöglichkeiten auf den Gebieten der Forschung, der Lehre und der Nachwuchsförderung auszuloten und strategische Überlegungen zum Verhältnis von Universität und Schule aus der Fachperspektive zu entwickeln. Seit 2016 finden jährliche Verbundtreffen statt.

Startseite der MGN-Homepage
Startseite der MGN-Homepage

Gefährte – Gegner – Gegenspieler. (Um-)Deutungen der Vasoltfigur im Eckenlied E2

Im von Ronny F. Schulz und Silke Winst publizierten Tagungsband „Riesen – Entwürfe und Deutungen des Außer/Menschlichen in mittelalterlicher Literatur“ (Studia Medievalia Septentrionalia 28) findet sich auf den Seiten 217–259 ein Beitrag von Angila Vetter und Sebastian Holtzhauer zum Eckenlied E2, der den Fokus auf die ambivalente Vasoltfigur legt.

Eine Riesenfamilie, die ihren getöteten Verwandten rächt, monströse Trollfrauen und ein riesenhafter Wiedergänger, der ein Dorf terrorisiert – sie alle zeigen, dass es in mittelalterlicher Literatur nicht nur um Menschen geht, sondern auch um ganz andere Entwürfe von Existenz, die zwischen dem Menschlichen und dem Außermenschlichen stehen und die schließlich diese Grenzen verschwimmen lassen.
Die Beiträge des Bandes greifen diese spannenden Momente heraus, in denen das Außer/Menschliche verhandelt wird, und betrachten Sagas, Heldenepen, Artusromane und keltische Erzählungen aus neuen Perspektiven.

Beschreibung des Verlags
Cover des Tagungsbandes

Jenseits des Diesseits – Ein Beitrag zur Narration und Narrativierung von Zeit(enthobenheit)

Soeben ist das Themenheft 9 der Beiträge zur mediävistischen Erzählforschung (BmE) zum Thema ›ZeitRahmenÜberschreitungen im vormodernen Erzählen‹ erschienen, herausgegeben von Amelie Bendheim und Martin Sebastian Hammer. Darin findet sich ein Beitrag von Sebastian Holtzhauer, der der Frage nachgeht, wie die differenten Zeitvorstellungen von Diesseits und Jenseits in der lateinischen Navigatio sancti Brendani abbatis und deren deutschen Übersetzungen sowie im Mönch Felix erzählt werden. Textüber- greifend werden intra- wie extradiegetische ›Rahmenüberschreitungen‹ bewusst eingesetzt, um Übergänge zwischen Raum-Zeit-Kontinuen darzustellen. Innerhalb der Erzählwelt kommen Anomalien zum Tragen, die sich zum Teil auch auf die Welt der Rezipierenden erstrecken. Diese Transgressionen kommen einerseits durch das lateinische Tempussystem (Navigatio) zustande, andererseits durch aktualisierende Umarbeitungen, die das Geschehen in einem ganz bestimmten Kloster verortet wissen wollen (Mönch Felix).

Das Titelbild stammt von Pete Linforth und steht zur freien kommerziellen Nutzung auf Pixabay bereit (online).

Beitrag zu Hieronymus Rauschers „Papistischen Lügen“ erschienen

Heute ist der dritte Band der Beiträge zur mediävistischen Erzählforschung (BmE) erschienen – und mit ein Aufsatz von Sebastian Holtzhauer, der sich mit den Papistischen Lügen von Hieronymus Rauscher befasst und (kosten)frei zugänglich ist. An repräsentativen Fallbeispielen aus den Papistischen Lügen zeigt der Autor dabei auf, wie der protestantische Theologe Hieronymus Rauscher die Zeitvorstellungen (spät)mittelalterlicher Legenden- und Mirakelerzählungen in polemisch-rationaler Manier kommentiert. Dies geschieht ausschließlich in den Paratexten (Randglossen und ›Erinnerungen‹) seines Werks, wo Rauscher an einer linearen ›Handlungszeit‹ ausgerichtete Maßstäbe von Plausibilität und Wahrscheinlichkeit an die erzählte Zeit der von ihm ausgewählten Wunder ansetzt. Durch ihre eigentümliche Kritik an der ›Wunderzeit‹ distanzieren sich die weithin rezipierten Papistischen Lügen nicht nur vom Wunderglauben der Katholiken, sondern zugleich auch von einer vormodernen Erzählweise.

Titelbild: Paris, BnF, Latin 1156B, fol. 133r (Ausschnitt), Rennes, ca. 1430 (Quelle: gallica.bnf.fr / BnF)

Veröffentlichung von „ediarum.MEDIAEVUM“

Ende Mai wurde „ediarum.MEDIAEVUM“, die vom interakademischen Projekt „Der Österreichische Bibelübersetzer. Gottes Wort deutsch“ in Augsburg in Zusammenarbeit mit der Berliner Arbeitsstelle entwickelte digitale Arbeitsumgebung für die Edition mittelalterlicher Texte, nun in einer ersten Version veröffentlicht. „ediarum.MEDIAEVUM“ kann hier heruntergeladen werden.

Weitere Hintergrundinformationen sind der offiziellen Pressemitteilung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften bzw. der offiziellen Pressemitteilung der Universität Augsburg zu entnehmen.

Arbeitsoberfläche von „ediarum.MEDIAEVUM“

Neuentdeckung zur Brandanverehrung in Lübeck

Der Besuch in der Bibliothek der Hansestadt Lübeck förderte kürzlich einige neue Zeugnisse zum Heiligen Brandan zutage. In drei Heiligenkalendern aus dem 15. Jahrhundert fand sich sein Festtag (siehe die Bilder weiter unten), und im Missale Lubicense (1486), das auch als Digitalisat online steht (Exemplar I.-K. 877 der Bibliothek der Hansestadt Lübeck), ist eine lateinische Brandan-Messe verzeichnet.

Welche literarhistorischen Implikationen mit seiner Verehrung in Lübeck in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts verbunden sind, ist demnächst in einem Aufsatz von Sebastian Holtzhauer im Tagungsband zur Tagung „Artus in Stade. Prozesse der Konstruktion und Transformation regionaler Identität im norddeutschen Raum“, die vom 31. Mai bis 2. Juni 2018 im Kloster Wöltingerode stattfand und vom Verbund Mittelaltergermanistik Nord (MGN) organisiert wurde, nachzulesen. Der Titel des Beitrags lautet: „Die mittelniederdeutschen Brandaniana. Eine überlieferungs-, text- und kulturgeschichtliche Untersuchung zum Hl. Brandan und seinen Zeugnissen im norddeutschen Raum des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit“.

Bibliothek der Hansestadt Lübeck, Ms. theol. germ. 8° 33 (15. Jh.), Bl. 3v
Bibliothek der Hansestadt Lübeck, Ms. theol. germ. 8° 48 (15. Jh.), Bl. 4v
Bibliothek der Hansestadt Lübeck, Ms. theol. germ. 8° 56 (Ende 15. Jh.), Bl. 5r

Publikation „Textgeschichte(n). Retextualisierungsstrategien und Sinnproduktion in Sammlungsverbünden. Der Willehalm in kontextueller Lektüre“

Angila Vetter liefert mit ihrer Dissertation eine in jeder Hinsicht mustergültige Untersuchung zum Willehalm Wolframs von Eschenbach. Die Beobachtungen zu den Überlieferungsverbünden in den Handschriften und Fragmenten werfen ein völlig neues Licht auf den Willehalm selbst und helfen in einem größeren Rahmen, vormoderne Retextualisierungsstrategien besser zu verstehen.

Nur ein einziges Mal ist der Willehalm Wolframs von Eschenbach allein überliefert, sonst präsentiert er sich stets in Verbindung mit anderen Texten in Sammelhandschriften. Zahlenmäßig dominiert die Überlieferung der sogenannte ‚Willehalm-Zyklus‘, der Wolframs Text in Kombination mit den Ergänzungsdichtungen Ulrichs von dem Türlin (Arabel) und Ulrichs von Türheim (Rennewart) zeigt. Während dieser Zyklus in seinen Formen und Funktionen gut erschlossen ist, stellt die Erforschung der übrigen Überlieferungsverbünde des Willehalm, die ihn mit ganz unterschiedlichen geistlichen und weltlichen Erzähltexten kontextualisieren, ein Forschungsdesiderat dar. Die Arbeit verbindet literaturästhetisch-poetologische Herangehensweisen und Erkenntnisse editionsphilologischer Verfahren der Material Philology sowie der Überlieferungsgeschichtlichen Methode. Sie geht den Lektüreangeboten der Arrangements des Willehalm mit weiteren Texten in den Sammlungsverbünden nach und zeigt über die kontrastive Darstellung die Bedeutungspotentiale dieses Werks in neuen Zusammenhängen.

Klappentext der Ausgabe