Sebastian Holtzhauer

German Scholar of Medieval Language and Literature

Schlagwort: Erzählforschung

CfP: „Meer(deutiges) Erzählen. Thalassale Settings als narrative Projektionsräume des Uneindeutigen in der vormodernen Literatur“

Doppelpanel im Rahmen des 27. Deutschen Germanistentages (25.–28.09.2022, Paderborn)

Themenbereich 2: Phänomenorientierte Zugänge

Konzeption und Leitung des Panels: Dr. Sebastian Holtzhauer (Universität Hamburg), Nadine Jäger, M.A. (Bergische Universität Wuppertal)

Umfang: 240 Minuten

Kaum ein mittelalterlicher oder frühneuzeitlicher erzählender Text längeren Umfangs scheint ohne das Meer auszukommen, sei es als Handlungs-, Imaginations-, (heils-)geschichtlicher, allegorischer oder sonstiger Raum. In seinen vielfältigen literarischen Konzeptualisierungen ist es, eingebunden in unterschiedlichste kulturelle Traditionszusammenhänge, nahezu ubiquitär. In diesem Sinne widmet sich das Doppelpanel der Fragestellung, wie vormoderne Texte und Textgruppen unterschiedlichste Sinnpotenziale des Meeres nutzen, nebeneinanderstellen und gegeneinander ins Feld führen, um Uneindeutigkeiten narrativ zu entfalten. Es möchte ausloten, wie und in welchen Kontexten thalassale Settings eine Diskursivierung des Uneindeutigen ermöglichen.

Dabei rücken zum einen Texte in den Blick, die das Meer zum Handlungsraum ausweiten, um (programmatische) Uneindeutigkeiten in das thalassale Setting zu projizieren bzw. auszulagern: Gottfrieds ‚Tristan‘ etwa hält den Seesturm der Entführungsepisode in der Schwebe zwischen Providenz und Kontingenz, während ‚Mai und Beaflor‘ die Unvorhersehbarkeit nautischer Fortbewegung vereindeutigend in den Kontext des Transzendental-Wunderbaren überführt, das Meer aber zugleich als Ort suizidaler Handlungen präsent hält. Der ‚Münchner Oswald‘ lässt den Raben auf seinen Seereisen in der Wahrnehmung anderer Figuren zwischen gottgesandtem Boten und wildem Tier changieren und auch die ‚Brandan‘-Fassungen weisen eine grundlegende Ambivalenz des Meeres als Ort mit positiven wie negativen Eigenschaften und Bewohnern auf.

Zum anderen eröffnen diejenigen Texte und Textpassagen einen Zugang zum Thema, die Uneindeutigkeiten bspw. auf metapoetischer Ebene anhand des Meeresraums entfalten, so etwa der merwunder-Exkurs in Hartmanns ‚Erec‘. Der thalassale Raum erweist sich dort vor allem als Ort, der zwischen Verfügbarkeit und Unzugänglichkeit schwankt.

Vortragsvorschläge können sich an den folgenden Fragen orientieren: Welche Ausprägungen von Uneindeutigkeit werden in den thalassalen Raum projiziert und welche Bedeutung nehmen sie für den jeweiligen Text als Ganzes ein? Wie und inwiefern wird Uneindeutigkeit im Rahmen thalassaler Settings allererst erzeugt und wie wird ihr (figuren-, erzähler- oder adressatenseitig) begegnet? Welche Funktionalisierungen (Projektions-, Möglichkeits-, Verhandlungs-, Bewältigungsraum etc.) und Inszenierungen bzw. Semantisierungen (Ort göttlicher Wunder, teuflischer Gefahren, des Zufalls etc.) erfährt das Meer als Applikationsort narrativer Uneindeutigkeiten?

Die folgenden Vortragenden konnten bereits gewonnen werden:

PD Dr. Simone Loleit (Essen):
Das Meer als multiperspektivischer Raum in mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Fabeln

Johann Roch, M.A. (Erlangen):
Fahrt ins Unwissen? Gestörte Wahrnehmung und die skeptische Herausforderung auf der anderen Seite des Meeres in Konrads von Würzburg ‚Partonopier und Meliur‘

Prof. Dr. Christian Schneider (Osnabrück):
Der Wille der Winde. Meeresräume als Orte der Verhandlung von Determination und Freiheit im legendarischen Erzählen des Mittelalters

Prof. Dr. Christiane Witthöft (Erlangen):
Wogende Wahrheiten: Nautische Metaphorik im Skepsisdiskurs hochmittelalterlicher Epik (zur hermeneutischen Metapher von mhd. stiure u.a.)

Vorschläge für 20-minütige Vorträge werden in Form eines Abstracts (ca. 350 Wörter) bis zum 15.07.2021 an die beiden Panel-Leitenden Dr. Sebastian Holtzhauer (sebastian.holtzhauer@uni-hamburg.de) und Nadine Jäger (njaeger@uni-wuppertal.de) erbeten. Eine Publikation der Vorträge in gesammelter Form ist in Planung.

Gefährte – Gegner – Gegenspieler. (Um-)Deutungen der Vasoltfigur im Eckenlied E2

Im von Ronny F. Schulz und Silke Winst publizierten Tagungsband „Riesen – Entwürfe und Deutungen des Außer/Menschlichen in mittelalterlicher Literatur“ (Studia Medievalia Septentrionalia 28) findet sich auf den Seiten 217–259 ein Beitrag von Angila Vetter und Sebastian Holtzhauer zum Eckenlied E2, der den Fokus auf die ambivalente Vasoltfigur legt.

Eine Riesenfamilie, die ihren getöteten Verwandten rächt, monströse Trollfrauen und ein riesenhafter Wiedergänger, der ein Dorf terrorisiert – sie alle zeigen, dass es in mittelalterlicher Literatur nicht nur um Menschen geht, sondern auch um ganz andere Entwürfe von Existenz, die zwischen dem Menschlichen und dem Außermenschlichen stehen und die schließlich diese Grenzen verschwimmen lassen.
Die Beiträge des Bandes greifen diese spannenden Momente heraus, in denen das Außer/Menschliche verhandelt wird, und betrachten Sagas, Heldenepen, Artusromane und keltische Erzählungen aus neuen Perspektiven.

Beschreibung des Verlags
Cover des Tagungsbandes

Jenseits des Diesseits – Ein Beitrag zur Narration und Narrativierung von Zeit(enthobenheit)

Soeben ist das Themenheft 9 der Beiträge zur mediävistischen Erzählforschung (BmE) zum Thema ›ZeitRahmenÜberschreitungen im vormodernen Erzählen‹ erschienen, herausgegeben von Amelie Bendheim und Martin Sebastian Hammer. Darin findet sich ein Beitrag von Sebastian Holtzhauer, der der Frage nachgeht, wie die differenten Zeitvorstellungen von Diesseits und Jenseits in der lateinischen Navigatio sancti Brendani abbatis und deren deutschen Übersetzungen sowie im Mönch Felix erzählt werden. Textüber- greifend werden intra- wie extradiegetische ›Rahmenüberschreitungen‹ bewusst eingesetzt, um Übergänge zwischen Raum-Zeit-Kontinuen darzustellen. Innerhalb der Erzählwelt kommen Anomalien zum Tragen, die sich zum Teil auch auf die Welt der Rezipierenden erstrecken. Diese Transgressionen kommen einerseits durch das lateinische Tempussystem (Navigatio) zustande, andererseits durch aktualisierende Umarbeitungen, die das Geschehen in einem ganz bestimmten Kloster verortet wissen wollen (Mönch Felix).

Das Titelbild stammt von Pete Linforth und steht zur freien kommerziellen Nutzung auf Pixabay bereit (online).

Beitrag zu Hieronymus Rauschers „Papistischen Lügen“ erschienen

Heute ist der dritte Band der Beiträge zur mediävistischen Erzählforschung (BmE) erschienen – und mit ein Aufsatz von Sebastian Holtzhauer, der sich mit den Papistischen Lügen von Hieronymus Rauscher befasst und (kosten)frei zugänglich ist. An repräsentativen Fallbeispielen aus den Papistischen Lügen zeigt der Autor dabei auf, wie der protestantische Theologe Hieronymus Rauscher die Zeitvorstellungen (spät)mittelalterlicher Legenden- und Mirakelerzählungen in polemisch-rationaler Manier kommentiert. Dies geschieht ausschließlich in den Paratexten (Randglossen und ›Erinnerungen‹) seines Werks, wo Rauscher an einer linearen ›Handlungszeit‹ ausgerichtete Maßstäbe von Plausibilität und Wahrscheinlichkeit an die erzählte Zeit der von ihm ausgewählten Wunder ansetzt. Durch ihre eigentümliche Kritik an der ›Wunderzeit‹ distanzieren sich die weithin rezipierten Papistischen Lügen nicht nur vom Wunderglauben der Katholiken, sondern zugleich auch von einer vormodernen Erzählweise.

Titelbild: Paris, BnF, Latin 1156B, fol. 133r (Ausschnitt), Rennes, ca. 1430 (Quelle: gallica.bnf.fr / BnF)

Tagung „‚Erforscht wird alles, was erzählt‘? Erzählforschung aus mediävistischer Perspektive“, 20. und 21. Februar (Braunschweig)

Ort: Institut für Braunschweigische Regionalgeschichte, Hörsaal im EG, Fallersleber-Tor-Wall 23, 38100 Braunschweig

Mit der Erzählforschung hat die germanistische Mediävistik in den letzten Jahren einen eigenen Begriff geprägt, der sich von der allzu strukturalistischen Narratologie abzugrenzen wünscht. Ursprünglich stammt der Begriff aus der volkskundlichen Erzählforschung (bspw. den Arbeiten von Vladimir Propp zur Morphologie von Märchen), soll aber stärker inklusiv gebraucht werden: „Erforscht wird alles, was erzählt“ (von Contzen 2018). An dieser Begriffsprägung orientieren sich auch die von Albrecht Hausmann und Anja Becker seit 2018 online herausgegebenen „Beiträge zur mediävistischen Erzählforschung“. In der letzten Dekade sind viele Beiträge erschienen, die sich mit den Texten, Termini und Theorien der Erzählforschung aus einer spezifisch ‚historisch-synchronen‘ (von Contzen 2018) Perspektive befassen.

Die 2. Tagung des [PostDoc] Netzwerk Nord im Verbund Mittelaltergermanistik Nord (MGN) möchte sich diesen aktuellen Ansätzen zur Erzählforschung widmen.

Um Anmeldung für die Tagung wird bis zum 10. Februar 2020 gebeten an:

n.lordick@tu-braunschweig.de (Nadine Lordick)

Die Tagung findet mit freundlicher Unterstützung des Instituts für Germanistik der TU Braunschweig (Lehrstuhl Prof. Dr. Regina Toepfer) statt. Es fällt keine Tagungsgebühr an.

Sebastian Holtzhauer (Uni Osnabrück/Uni Augsburg), Nadine Lordick (TU Braunschweig), Jeremias Othman (TU Braunschweig), Anabel Recker (Uni Göttingen), Sarah Katharina Rose (Uni Hamburg)

Tagungsprogramm

Donnerstag, 20. Februar 2020

ab 14.30 Uhr       

Ankunft

15.00–15.15 Uhr       

Begrüßung

15.15–16.00 Uhr

Martin Sebastian Hammer (Oldenburg/Wuppertal):Histoire, discours – narration. Zur (vergessenen) Ternarität des    Genetteschen Modells und deren mediävistischer Relevanz

Moderation: Sebastian Holtzhauer (Osnabrück/Augsburg)

16.00–16.45 Uhr

Anabel Recker (Göttingen):Stimme und Modus im ‚Meleranz‘ des Pleier

Moderation: Sebastian Holtzhauer (Osnabrück/Augsburg)

16.45–17.00 Uhr

Pause

17.00–17.45 Uhr       

Julika Moos (Göttingen):Tratschtanten und Schwindler. Unzuverlässiges Erzählen im höfischen Roman?

Moderation: Sebastian Holtzhauer (Osnabrück/Augsburg)

19.30 Uhr

Gemeinsames Abendessen im ,Sultana‘

Freitag, 21. Februar 2020

9.00–09.45 Uhr

Nadine Lordick (Braunschweig):Aller Heiligkeit Ursprung: Maria im ‚Passional‘

Moderation: Sarah Katharina Rose (Hamburg)

09.45–10.30 Uhr

Mareike von Müller (Göttingen):Überwindungsfiguren. Techniken des Anerzählens gegen narrative Sinnstrukturen im ‚Ötenbacher Schwesternbuch‘

Moderation: Sarah Katharina Rose (Hamburg)

10.30–11.00 Uhr       

Pause

11.00–11:45 Uhr

Hannah Rieger (Kiel): Zum Teufel mit der Rhetorik. Zu den ‚Teufelsprozessen‘ und zum ‚Reynke de Vos‘ (1498) unter dem Blickwinkel von Gert Hübners ‚praxeologischer Narratologie‘

Moderation: Sarah Katharina Rose (Hamburg)

11.45–12.30 Uhr       

Zusammenführende Diskussion: „Erforscht wird alles, was erzählt“?

Moderation: Anabel Recker (Göttingen)

12.30–13.15 Uhr

Pause

13.15–14.00 Uhr

Jeremias Othman (Braunschweig):Workshop mit Diskussion: Mediävistik in der Schule

Moderation: Nadine Lordick (Braunschweig)

14.00–14.30 Uhr

Planung der nächsten Tagung und Verabschiedung

Vorderseite Flyer
Rückseite Flyer